Dylan und eine blutige Nase


Bob Dylan gab 1978 sein erstes Konzert in Deutschland. Als einziger deutscher TV-Reporter sollte ich ihn bei seiner ‚geheimen‘ Ankunft am Hauptbahnhof Essen filmisch in Empfang nehmen. Bedingung: Kein Interview, nur Ausschnitte aus dem Konzert.

Auf dem Foto der BILD, die natürlich längst wusste, wo Dylan ankommen sollte, sieht man, wie ich mit respektvollem Abstand hinter dem Folksänger die Treppe hinuntersteige*.

Ich muss dazu sagen: Wenn ich jemals einen musikalischen und dichterischen Meister bewundert habe, dann ist es Bob Dylan. Das Foto zeigt auch, wieviel Überwindung es gekostet hat, den Star nicht ansprechen zu dürfen. Aber gut, wer ist nicht bereit für sein Idol zu leiden.

In der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle bekam ich dann eine – gelbe (Schikane?) – Pressebinde und einen Platz in der 3. Reihe zugewiesen. Es war nicht erlaubt, den Sitzplatz zu verlassen oder sich – wie bei Popkonzerten sonst üblich – an die Bühne zu stellen.

Dylan spielte die meiste Zeit bis zur Pause mit dem Rücken zum Publikum. Das Team drehte also soviel wie möglich, um eine vernünftige Einstellung zu bekommen. Aber Dylans Manager, Mr. Wassermann, kam zu dem Podest, wo die Kamera stand und forderte mich auf, den Dreh abzubrechen. Die erlaubten zehn Minuten Material wären ja längst im Kasten.

Nach der Pause wollte ich den reservierten Platz direkt am Mittelgang vor der Bühne einnehmen. Doch ein junges Mädchen hatte sich schon darauf niedergelassen.

Höflich wie ich bin, überließ ich ihr den Platz und ließ mich auf den Boden nieder. Sofort bauten sich zwei bullige Securities vor mir auf. Sie packten meine Arme und verdrehten sie so schmerzhaft, dass  jeder Widerstand zwecklos war. Die beiden zerrten mich vor die Hallentür – Pressebinde hin oder her – und verpassten mir einen kräftigen Schlag auf die Nase. Das Blut spritzte bis auf die Binde.

1978 war von 1938 gar nicht so weit weg, wie ich eigentlich immer geglaubt hatte. Aber hinnehmen wollte ich das nicht. Auf der Toilette wischte ich mir das Gesicht ab, drückte ein Taschentuch auf die Nase und kehrte in die Halle zurück. Ich ließ mich an derselben Stelle auf dem  Boden nieder und schwor, bei der geringsten Attacke seitens der Security zu zeigen, was Bob Dylan dort oben auf der Bühne predigte: Widerstand gegen jede Form von Gewalt und falls nötig, die Stimme so laut erschallen zu lassen, dass sich auch die Musiker auf der Bühne und Mr. Zimmermann diesmal nicht wegducken konnten.

Das Konzert ging, ob Sie’s glauben oder nicht, mit einer genialen Version ‚the-times-they-are-a-changing‘ zu Ende. Und die Security tauchte nicht mehr. Es schien, als wäre auch da etwas in Bewegung gekommen.

 

*Das Foto konnte ich leider trotz Nobel-Preis-Hype nicht aus den Archiven von Axel Springer eisen.

google916106d2cf7b0781.html